Das Fatum bei Vergil

     

 
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2.5. Entgegenwirkende Mächte

Die einzige entgegenwirkende Macht ist Juppiters Gattin und Schwester Juno. Sie wird dem Leser gleich am Anfang des ersten Buches vorgestellt als Beschützerin Karthagos: quam Juno fertur terris magis omnibus unam/ ... coliusse ... - es wird erzählt, dass Juno von allen Landen diese eine am meisten ehrte. (1, 15-16) Dem römischen Hörer war wahrscheinlich schon an dieser Stelle ihre Bedeutung im Epos klar, warum sonst sollte der Dichter die Göttin so vorstellen, wenn ihre Liebe zu Karthago nicht einen wichtiges Beiwerk zum Verlauf der Handlung wäre? Ein weiterer Grund ist: manet alta mente repostum/ iudicium Paridis spretaeque iniuria formae - es bleibt tief im Herzen aufbewahrt das Urteil des Paris und die Beleidigung der verschmähten Schönheit. (1, 26-27)

Ihre Gegenspielerin Venus erwähnt im fünften Buch in einem bittenden Gespräch mit Neptun Iunonis grabis ira - Junos schweren Zorn (5,781) und erzählt: "nec Iovis imperio fatisque infracta quiescit - weder durch Juppiters Macht noch durch das Fatum verstummt sie als Kleinmütige. (5,784) Durch dieses Kräftemessen der Götter erscheint Aeneas mir manchmal wie eine Marionette, von mehreren Spielern geführt. Diese Aussage der Venus zeigt, dass Juno das Fatum wie es ist, nicht akzeptiert, sie möchte es ändern oder zumindest abschwächen. Außerdem sagt sie selbst in 10, 632 zu Juppiter: " ... in melius tua, qui potes, orsa reflectas - mögest du, der du es kannst, deine Worte in bessere wandeln!" Hier zeigt sie deutlich, was man auch vermutet: Juno ist sich durchaus bewusst, dass das Fatum auch der Wille Juppiters ist und sie ist der Meinung, dass er es dann auch ändern kann. Doch dieser "fühlt sich durch das, was einmal Fatum ist, gebunden..." [4] Obwohl Juppiter einen Krieg zwischen Italern und Trojanern nicht wollte (10, 8: abnueram bello Italiam concurrere Teucris - ich verbot, dass Italien mit den Teukrern im Krieg zusammenstößt) hat er ihn doch schon am Anfang der Geschichte vorhergesehen (1,261). Auch die Handlungen Junos scheinen also im Fatum verankert.

Als sie die Ehe zwischen Dido und Aeneas schmiedet, hofft sie, dass Aeneas dadurch für immer in Karthago bliebe. Dann hätte sie ihre Stadt vor dem drohenden zukünftigen Niedergang (wie es im ersten Buch durch die Parzen verkündet wird) durch trojanische Nachkommen gerettet. Heinze schreibt dazu: "Die Handlungen der Götter sind im Endziel darauf gerichtet, ihren Schützlingen zu helfen, nicht anderen zu schaden." [5] Junos Zorn ist also nicht gegen Aeneas und seine Gefährten persönlich gerichtet, sondern gegen denjenigen, der ihrer Stadt gefährlich werden könnte.

Juno greift immer wieder in das Geschehen ein, doch kann immer nur verzögern: in Buch I löst sie mit Aeolus' Hilfe einen Seesturm aus, der die Aeneaden vom Kurs abbringt. In Buch IV stiftet sie gemeinsam mit Venus die Ehe zwischen Aeneas und Dido und im fünften Buch animiert sie die Troerinnen, die Schiffe anzuzünden. In Buch VII heißt sie die Furie Allecto, die Gattin des Latinus und Turnus gegen Aeneas aufzustacheln und entfacht, weil Latinus sich weigert, einen Rachekrieg zu beginnen, einen Krieg zwischen Turnus und Aeneas. Auch im neunten Buch lässt sie Turnus gegen die Trojaner kämpfen und auch im zehnten Buch greift sie ein, indem sie Turnus aus dem Getümmel entzieht. Im letzten und entscheidenden Buch, lässt Juno den Vertrag zwischen Aeneas und Turnus zunichte machen, doch all ihre Bemühungen helfen nicht: Aeneas wird sein Fatum und das seiner Nachfahren erfüllen und sie muss sich fügen.

[4] Heinze: Virgils epische Technik, Darmstadt: Wiss. Buchges., 1957, S. 295
[5] Heinze: Virgils epische Technik, Darmstadt: Wiss. Buchges., 1957, S. 298


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