Das Fatum bei Vergil

     

 
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2.2. Die Aufgabe, die das Fatum stellt

Auch dem Leser wird die Aufgabe nicht sofort klar, beginnt doch die Aeneis mit dem Seesturm, den Juno angezettelt hat. Auch steht nirgends explizit beschrieben, welche Aufgabe das Fatum stellt noch ob das Fatum überhaupt eine Aufgabe stellen kann. Doch man findet immer wieder Hinweise darauf, dass das Fatum göttlicher Wille ist: 7, 50: fato divom oder 7, 239 und 3, 375: fata deum. Und nicht nur irgendeines Gottes Willen ist dies Fatum, das sich durch die Aeneis zieht, es ist der des höchsten, allmächtigen (2,689 Juppiter omnipotens) Gottes Juppiter: 4, 614 fata Iovis. Man kann also davon ausgehen, dass hier das Fatum gleich ist dem Willen Juppiters. Dieser Wille wird dem Leser in 1, 254 ff deutlicher gemacht. Dort antwortet der Göttervater der verzweifelten Venus und Mutter Aeneas': "manent immota tuorum fata tibi ... cernes urbem et promissa Lavini/ moenia - dir bleibt die Bestimmung der deinen fest ... du wirst die Stadt und die versprochenen Stadtmauern Laviniums sehen.." (1, 257; 1, 258/9) Und zeigt ihr und dem Leser dann das Schicksal des Aeneas auf: "hic tibi ... bellum ingens geret Italia populosque ferocis/ contundet moresque viris et moenia ponet,/ tertia dum Latio regnantem viderit aestas/ ternaque transierint Rutulis hiberna subactis. - Er wird einen gewaltigen Krieg in Italien führen und den Männern Sitten und Stadtmauern erstellen, bis der dritte Sommer ihn als Herrschenden sieht und die dreifachen Winter die unterworfenen Rutuler überschreiten." (1,261 - 266) Das ist also die Aufgabe für Aeneas selbst: unter seiner Führung soll in Italien ein Krieg geführt werden, mit dem Schluss, dass die Dardaner in Lavinium eine neue Heimat finden.

Doch es geht noch über Aeneas hinaus: "at puer Ascanius, cui nunc cognomen Iulo/ additur ... / triginta magnos volvendis mensibus orbis/ transferet, et Longam multa vi muniet Albam. - Und der Junge Askanius, dem nun der Beiname Julus zugefügt wurde ... , wird, während die Monde dreißigmal im Kreise rollen, dies mit Herrschaft erfüllen und die Herrschaft vom Sitz Laviniums hinübertragen und kraftvoll Alba Longa errichten." (1, 267 - 271) Dann wird die nächste Generation nach Aeneas in das Fatum eingebunden: Sein Sohn Askanius soll die errungene Herrschaft ausbauen, Alba Longa erbauen und somit den Grundstein für die spätere Gründung Roms legen.

Nun folgt die bekannte Legende von Romulus und Remus, den beiden von einer Wölfin aufgezogenen Jungen: "hic iam ter centum totos regnabitur annos/ gente sub Hectorea, donec regina sacerdos/ Marte gravis geminam partu dabit Ilia prolem./ inde lupae fulvo nutricis tegmine laetus/ Romulus excipiet gentem et Mavortia condet moenia Romanosque suo de nomine dicet. - Hier wird nunmehr dreihundert ganze Jahre geherrscht unter dem Geschlechte Hektors, bis die königliche Priesterin Julia, schwanger von Mars, ihm durch Geburt Zwillingsnachkommen gibt. Hierauf wird der durch die rotgelbe Decke der wölfischen Amme heitere Romulus das Geschlecht fortführen und dem Mars gebührende Stadtmauern erbauen und die Römer nach seinem Namen nennen." (1, 272 - 277) Also findet das Geschlecht des Aeneas seinen Weg nach Italien und begründet damit den Ursprung vieler wichtiger Männer der späteren Politik, so findet man explizit Caesar genannt: "nascetur pulchra Troianus origine Caesar - aus schönem Ursprung wird der trojanische Caesar geboren" (1,286) und - wenn auch etwas umschrieben - Augustus: "aspera tum positis mitescent saecula bellis - dann werden, nachdem die Kriege niedergelegt sind, die rauen Zeitalter gemildert" (1, 291) eine deutliche Anspielung auf die Pax Augusta, auch wenn sie nicht wörtlich genannt wird.

Kurz: das Fatum besagt für Aeneas die Entdeckung und Eroberung der neuen Heimat, für Ascanius den Ausbau der Herrschaft und die Grundsteinlegung für die Gründung Roms, für Romulus die eben schon genannte Gründung, für Caesar glorreiche Zeiten als Imperator und für Augustus (wenn auch nicht persönlich erwähnt) die Pax Augusta - Friedenszeiten als höchstes Ziel.


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